Stellvertretend für viele Mieterinitiativen in Berlin und anderen Städten steht das „Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel“ für den unermüdlichen Einsatz von engagierten Mietergruppen auch in Zeiten von Immobilienspekulation und steigenden Mieten das Recht auf Wohnen zu verteidigen. Die Geschichte des Kosmosviertels in Alt-Glienicke am Stadtrand von Berlin zeigt exemplarisch, wie die Mieterrechte unter die Räder geraten, wenn Wohnen vorrangig als Immobilie und nicht als zu Hause gesehen wird.
1990 als vermutlich letzte fertiggestellte Neubausiedlung des DDR-Wohnungsbauprogramms besteht das Kosmosviertel aus etwa 50 größeren Wohnblöcken mit insgesamt 2.500 Wohnungen. Wie üblich in vielen DDR-Siedlungen wurden die Wohnungen in städtischer und genossenschaftlicher Trägerschaft errichtet. Der größte Teil der kommunalen Wohnungsbestände wurde nach der Wiedervereinigung der landeseigenen Wohnungsbau-gesellschaft Stadt und Land zugeordnet. Mit dem Beginn der Privatisierungsaktivitäten wurden 1996 drei Viertel der Bestände im Kosmosviertel an einen privaten Investor aus München verkauft und werden seither von einer privaten GmbH verwaltet.
Während die Stadt und Land und die Altglienicker Wohnungsgenossenschaft AWG ihre Wohnungen seit Ende der 1990er Jahren Stück für Stück modernisiert und die Fassaden neugestaltet haben – tat sich in den privat verwalteten Häusern nichts. Die Schönefeld Wohnen GmbH setzte auf die Strategie von niedrigen Mieten und noch geringeren Ausgaben. Bis 2016 wurden die Häuser ohne jede Investition dem baulichen Verschleiß preisgegeben. Kaputte Fenster, Schäden an den Fassaden, Wasserschäden, Ausfall von Heizungsanlagen, defekte Fahrstühle sind das Ergebnis von 20 Jahren Desinvestition. Die Rechnung der Eigentümer ging dennoch auf, denn viele Haushalte mit geringen Einkommen waren auf die günstigen Mieten im Kosmosviertel angewiesen. Wo das Einkommen nicht reichte, konnte sich das Unternehmen auf die staatlichen Zahlungen der Kosten der Unterkunft verlassen – Hartz IV wurde hier zum Geschäftsmodell. Das Kosmosviertel gehört inzwischen zu den ärmsten Stadtteilen Berlins. 50 Prozent der Haushalte sind Alleinerziehende, knapp ein Viertel bezieht staatliche Transferleistungen und die Kinderarmut liegt bei weit über 50 Prozent. In den Wohnblöcken der Schönefeld Wohnen dürften all diese Zahlen noch deutlicher ausfallen.
Das Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel mobilisiert seit 2017 gegen die ungewünschten Fassadenmodernisierungen und die unzumutbaren Mieterhöhungen. Mit Flugblättern, Protestaufrufen und Mieterversammlungen ist es der Initiative gelungen nicht nur die Nachbarinnen und Nachbarn zusammenzubringen und mit mietrechtlichen Informationen zu wappnen, sondern auch, die lokale Politik im Bezirk auf die Situation im Kosmosviertel aufmerksam zu machen. Doch trotz Gesprächen mit der Lokalpolitik, Offenen Briefen und Anträgen in der Bezirksverordnetenversammlung ist es bisher nicht gelungen, die Modernsierungen und Mietsteigerungen abzuwenden.
Die ungekürzte Laudatio zum Sonderpreis „Soziale Menschenrechte“, der dem „Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel“ am 17.10.18 verliehen wurde, erschien im gentrificationblog von Andrej Holm.
14. Februar 2019: Inzwischen hat die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land für ca. 250 Millionen Euro rund 1.800 Wohnen wieder von der Schönefeld Wohnen GmbH & Co. KG zurückgekauft!
02. September 2021, Berliner Zeitung: Mieterin erstreitet Mietsenkung für Hunderte Bewohner im Kosmosviertel, mehr...
27. März 2022, ND - Neues Deutschland: Kämpferisches Kosmosviertel: Mieterprotest feiert fünfjähriges Bestehen und große Erfolge, mehr...
9. November 2023, Tagesspiegel: Fluktuation und Fassadenschäden. Unzufriedenheit im Kosmosviertel, mehr...