Die Schwiebusser Straße ist ein kurzes Sträßchen im Süden von Kreuzberg – zwischen dem monumentalen Zollamt und einem alten Brauereigelände. Im rostigen Zaun vor der ehemaligen Bockbrauerei mit ihrem Schornstein und dem historischen Schankhaus hängen seit Wochen weiße und rosafarbene Schleifen, die Nachbarn zu Worten eingeflochten haben, zu Worten wie Wut! Trauer! Zorn!
Das Gelände, auf dem die Bauwert AG etwa 240 Wohnungen bauen möchte, ist weiträumig abgeriegelt. Und damit auch der Tatort. Das Opfer liegt mit zerbrochenen Gliedern im historischen Schankgarten. Seit dem 9. November. Es darf nicht entfernt werden. „Wegen der laufenden Ermittlungen“ bestätigt das Amt auf Nachfrage. Eine Anwohnerin aus der Fidicinstraße habe die Polizei alarmiert. Es sei bereits ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Es dürfe nichts verändert werden, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.
Und so liegt er da, ein Symbol für den uralten Kampf zwischen Mensch und Natur: der Ahorn. Stammumfang: 2,60 Meter; geschätzte Höhe: 15 Meter; geschätztes Alter: 180 Jahre. Eine Genehmigung zur Fällung ist nie erteilt worden. Auch die Baumfäller hatten keinen Auftrag vom Bauherrn erhalten, der Baum sei „versehentlich“ gefallen.
Der Tat verdächtigt wird naturgemäß der Bauherr: Jürgen Leibfried und seine Bauwert AG. Sie kämpfen schon lange um die Baugenehmigung auf dem Grund zwischen Schwiebusser- und Fidicinstraße.
Nun, nach fünf Jahren, nach vielen öffentlichen Sitzungen im Kreuzberger Rathaus und vielen hinter verschlossenen Türen, stehen die Verhandlungen vor dem Abschluss. Die Entscheidung über den Bauvorbescheid wird bald erwartet. Details sind nur wenige bekannt, aber sicher ist: Am Ende dieser Geschichte steht ein neues Wohnviertel.
Am Anfang dieser Geschichte steht der Ahorn, gepflanzt zu einer Zeit, als die Stadt noch weit unten an der Spree lag und hier oben zwischen Feldern Windmühlen standen. 1820 betritt Georg Leonard Hopf aus der Pfalz die Szene; ein Mann, der, ähnlich wie 150 Jahre später Bauunternehmer Jürgen Leibfried aus München, nach Berlin kommt, um sein Glück zu machen.
Hopf arbeitet in der Habelschen Weinhandlung an der Leipziger Straße als Fassbinder, steigt schnell zum Kellermeister auf, heiratet nach dem frühen Tod des Meisters die traurige Witwe und übernimmt den Betrieb. Als das Gespräch in der Schankstube auf das bayerische Bier kommt, von dem man erzählt, es sei um vieles besser als das säuerliche Weißbier Berlins, behauptet Hopf: Das kann ich auch! Und braut in einem alten Waschkessel das erste Bockbier Berlins.
Dieser Artikel erschien in ungekürzter Fassung am 4. Februar 2020 in der Berliner Zeitung:
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ehemalige-bockbrauerei-das-verlorene-refugium-li.6115
Siehe auch weitere Artikel mit dem Eigentümer Bauwert AG:
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