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18.03.2023
Jenni Roth
HEIM Holding GmbH & Co. KG, GF: Philipp und Dieter Heim. Verwaltung: Bezirk Pankow, Abteilung Ordnung und Öffentlicher Raum
Straße nach Arkenberge, 16567 Berlin

Straße nach Arkenberge, 16567 Berlin

Tatort Arkenberge: Warum ein Berliner Wald verschwindet


Das Areal um den höchsten Berg Berlins soll zum Freizeitpark werden. Seltene Arten und geheime Partys stellen den Eigentümer vor Probleme. Der greift nun zum Äußersten.


Offensichtlich war hier jemand mit richtig schwerem Gerät unterwegs. 30, 40 Zentimeter breite Furchen ziehen sich Hunderte Meter weit durch die Erde, die aussieht wie ein Stück umgepflügter Acker. „Die Bäume haben sie mit ihren Baggern samt Wurzeln wie Streichhölzern aus dem Boden gezogen und direkt geschreddert. Da war eine Maschine mit Reifen, so groß wie ich.“


Wieland Meier zieht mit seinem Arm einen weiten Bogen, um das Ausmaß der Zerstörung deutlich zu machen hier am alten Deponieberg von Arkenberge. Es ist still an diesem Morgen im März, ein paar Hundebesitzer spazieren um den Kiessee am Fuß des Berges, man hört ein paar Vögel singen. Meier ist Hobbynaturfotograf, er ist seit Jahren hier am nördlichen Rand von Berlin unterwegs und kennt wohl die meisten der Pflanzen und Tiere, die hier wachsen und leben. Oder gelebt haben, auf dieser über Jahrzehnte natürlich eingewachsenen Fläche.


Jetzt entdeckt Meier nur noch eine Taubnessel zwischen den Erdbrocken, die den Kahlschlag überlebt hat: Am 20. und 21. Februar waren die Bagger angerückt und hatten eine Fläche von etwa 100 mal 500 Meter platt gemacht. Die Nachtigall war hier zu Hause, sagt Meier, der Pirol, seltene Distelarten. Weißdorn mit Rosenkäfern habe er hier gesehen. Sogar Zauneidechsen habe es hier gegeben: „Wo es doch auf Baustellen normalerweise sofort einen Baustopp gibt, wenn auch nur eine Zauneidechse auftaucht!“



Kahlschlag ohne Genehmigung der Behörden


Aber der Baustopp in Arkenberge kam zu spät, obwohl Anwohner schnell das Bezirksamt informierten. Dort war man ziemlich überrascht. Für die Rodung gab es keine Erlaubnis – und die hätte es gebraucht: Denn das Areal gehört zwar nicht mehr zum angrenzenden Landschaftsschutzgebiet, gilt aber als Biotop. Nach dem Naturschutzrecht hätte das Umwelt- und Naturschutzamt den Eingriff genehmigen müssen, bestätigt die Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) der Berliner Zeitung.


Etwa drei Viertel der Vegetation sei durch Abschieben entfernt worden, sagt die für Ordnung und öffentlichen Raum zuständige Stadträtin aus Pankow. Vor ein paar Tagen hat sie den Tatort besichtigt, die wenigen Bäume gesehen, die noch stehen, bei denen aber Seitentriebe entfernt wurden. Heimische Sträucher wie Hartriegel und Hundsrose seien genauso verschwunden wie nicht heimische Arten, zum Beispiel der Eschenblättrige Ahorn. Und dadurch, dass man die Bäume samt Stumpf weggefräst hat, könne man Standort, Art und Alter nicht mehr ermitteln.


Bäume sind aber nicht einfach nur Bäume. Sie sind genau wie Büsche das Zuhause von Tieren: Kuckuck, Baumpieper, Sumpfrohrsänger, Grauschnäpper und Neuntöter, die alle auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen oder auf der Vorwarnliste. Dass sie einen Teil ihres Lebensraums verloren haben, lässt sich nicht rückgängig machen. Aber immerhin hat der Bezirk einen Baustopp ausgesprochen, und ein „Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Maßnahmenträger“ eingeleitet.



Seltene Arten stehen einem Freizeitpark im Weg

Wer der Täter ist, ist kein Geheimnis: Das Areal gehört der Ulmer Heim-Gruppe, genau wie See und Berg, mit 122 Metern der höchste in Berlin. Zwischenzeitlich war der Teufelsberg etwas höher, aber dann legte man in Arkenberge nochmal eine Schippe drauf. Denn seit Jahren träumen die Firmenchefs von einem Freizeit- und Naturpark. Oliver Pap, der kaufmännische Leiter der Heim-Gruppe, zählt der Berliner Zeitung auf, wie das aussehen könnte: Auf dem Gipfel eine Panorama-Aussichtsanlage, dazu ein Gipfelrestaurant, eine Naturschule, eine Sommerrodelbahn, kleine Bungalows. Am See ein Strandbad samt Bar.


Nur: Kritiker aus Verwaltung und Politik halten die Ideen für wenig naturverträglich. Die seltenen Arten rund um den Berg sind also ein Problem für die Heim-Gruppe.


Lesen Sie weiter wie der ehemalige SPD-Bausenator Peter Strieder die Heim-Gruppe berät, mehr...